Meerneunauge: Der Vampir der Seen – Wie gefährlich ist der Biss?
Es gibt viele wilde Kreaturen, die einem Survival-Abenteuer das gewisse Extra verleihen. Einige von ihnen tragen Krallen, andere giftige Stacheln – und dann gibt es das Meerneunauge (Petromyzon marinus), das aussieht, als hätte es ein Alien direkt aus einem Sci-Fi-Film mitgebracht. Doch wie gefährlich ist es wirklich? Muss man Angst haben, lebendig ausgesaugt zu werden? Oder ist das Meerneunauge nur ein haarsträubendes Missverständnis der Natur?
Der Lebensstil eines Vampirs: Meerneunauge
Das Meerneunauge, auch bekannt als „Vampirfisch“, ist ein parasitärer Fisch, der in den kälteren Gewässern der Nordhalbkugel lebt, insbesondere in Nordamerika und Europa. Sein Lebenszyklus ist faszinierend:
- Larvenstadium: Nach dem Schlüpfen aus bis zu 100.000 Eiern (!) lebt es bis zu 7 Jahre lang unscheinbar im Flusssediment, ernährt sich von Algen und Detritus und wartet auf seinen „großen Moment“.
- Parasitisches Erwachsenenstadium: Dann mutiert es quasi: Es bekommt ein kreisförmiges Maul voller Zähne und eine Zunge, die wie eine kleine Käsereibe funktioniert. Jetzt wird es zum Parasiten, klammert sich an Fische und saugt Blut und Körperflüssigkeiten.
- Fortpflanzung und Tod: Nach maximal 18 Monaten, wenn es sich fortgepflanzt hat, stirbt es – ein echter Work-Life-Balance-Albtraum.
Das Tier selbst ist 30 bis 90 cm lang, sieht aus wie ein schleimiges Rohr mit Zähnen und hat tatsächlich keine Kiefer. Gruselig? Definitiv. Aber tödlich?
Wie gefährlich ist ein Biss des Meerneunauges?
Für Menschen:
Die gute Nachricht zuerst: Wenn Sie kein Fisch sind, haben Sie wenig zu befürchten. Meerneunaugen sind nicht daran interessiert, Menschen zu fressen. Berichte über Bisse gibt es zwar, aber sie sind extrem selten. Wissenschaftler gehen davon aus, dass ein Biss bei einem Menschen meist ein Versehen ist – etwa wenn jemand das Tier in die Hand nimmt oder es reizt.
Schmerzfaktor:
Ein Biss fühlt sich an, als würde ein sehr starker Staubsauger versuchen, sich durch Ihre Haut zu bohren, gefolgt von einem leicht stechenden Gefühl, wenn die „Käsereiben-Zunge“ ihre Arbeit aufnimmt. Der Schmerz ist unangenehm, aber nicht gefährlich, solange die Wunde sauber gehalten wird.
Gefahr von Infektionen:
Der Speichel des Meerneunauges enthält gerinnungshemmende Stoffe, die Blutungen verlängern können – ähnlich wie bei Blutegeln. Eine Infektion ist möglich, aber selten. Moderne Medizin macht das Risiko überschaubar.
Fakten zur Häufigkeit:
Ein Biss durch ein Meerneunauge ist extrem unwahrscheinlich. Selbst in den großen Seen Nordamerikas, wo das Meerneunauge als invasive Art gilt, ist das Risiko, auf einen zu stoßen, verschwindend gering. Fischer und Taucher berichten von gelegentlichen Kontakten, aber in der Regel bleiben die Tiere bei ihrer bevorzugten Beute: Fische.
Was macht das Meerneunauge so besonders?
- Eine parasitäre Erfolgsgeschichte: Meerneunaugen gibt es seit über 360 Millionen Jahren. Sie sind echte Überlebenskünstler, die Dinosaurier und mehrere Eiszeiten überstanden haben.
- Keine Kiefer, aber viele Zähne: Ihr Mund ist mit bis zu 150 winzigen Zähnen gespickt – perfekt, um sich an schleimigen Fischen festzuhalten.
- Biochemie-Wunder: Ihr Speichel enthält Enzyme, die in der Medizin untersucht werden, um gerinnungshemmende Therapien zu entwickeln.
Wie man einen Biss vermeiden kann?
- Hände weg von den Fischen: Meerneunaugen sind scheu, greifen aber an, wenn sie gestört werden. Halten Sie Abstand, besonders in Gewässern, wo sie aktiv sind.
- Schutzkleidung: Wenn Sie tauchen oder schwimmen, können Neoprenanzüge oder dicke Stoffe das Risiko minimieren.
- Bleiben Sie ruhig: Panikreaktionen ziehen viele Tiere an – aber Meerneunaugen beißen nur, wenn sie keinen Fisch in der Nähe haben.
Fazit: Gruselig, aber harmlos
Meerneunaugen sehen aus wie das Zeug aus Albträumen, doch für Menschen sind sie kaum gefährlich. Ihr Biss ist selten, nicht tödlich und nur ein kurzer Schmerz im Vergleich zu dem, was ihre Hauptbeute, die Fische, aushalten muss. Dennoch erinnern sie uns daran, wie faszinierend und vielfältig die Natur ist – und dass jedes Wesen, egal wie fremdartig es erscheint, eine wichtige Rolle im Ökosystem spielt.
Quellen:
• Renaud, C. B. (2011). “Lampreys of the World.” FAO Species Catalogue.
• Cochran, P. A., & Lyons, J. (2004). “Field Guide to Wisconsin Streams.” University of Wisconsin Press.
• Beamish, F. W. H. (1980). “Biology of the North American Sea Lamprey.” Great Lakes Fisheries Commission.

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